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 Geheimagent Werner Großmann
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“An meinen Fingern klebt kein Blut”

Werner Großmann: Er war der letzte Chef der HVA, der “Hauptverwaltung Aufklärung”, wie der Auslandsgeheimdienst der DDR genannt wurde.

Von Tim In der Smitten

Bonn. Die deutsche Einheit bedeutete für mich den Knast“, sagt der wuchtige, elegant wirkende, weißhaarige Mann mit zynischem Spott. Er heißt Werner Großmann, 72 Jahre alt und war vier Jahre lang oberster Geheindienstchef der DDR. In den Nachmittagsstunden des 3. Oktober 1990 wird Großmann auf Antrag der Bundesanwaltschaft in seiner Berliner Wohnung festgenommen. Die Anklage: Geheimdienstliche Agententätigkeit und Landesverrat. Unter strengen Auflagen, wird der Haftbefehl ausgesetzt. Doch der Prozess lief fünf Jahre. Im Oktober 1995 endete er mit einem Freispruch.

           
Mit 23 Jahren Jahren hat Großmann seinen Dienst bei der HVA begonnen. In den 38 Jahren, in denen er den Spionagedienst ausübte, hat er seiner Frau und den drei Kindern niemals gesagt, woran er wirklich arbeitet. „Es war unmöglich, die Wahrheit zu sagen über das, wofür wir beauftragt waren. Meine Frau konnte mich telefonisch nur über die Sammelnummer des Staatsministeriums erreichen. Nie hat sie mich am Arbeitsplatz besucht“, erinnert er sich. 1986 übernahm Großmann den Posten des Spionagechefs von Markus Wolf. „Vier Jahre habe ich meinen Dienst ehrenhaft ausgeführt und die Verwaltung schließlich aufgelöst“, sagt er und gibt erst auch mehrfache Nachfrage zu, dass „es sehr chaotische Zustande waren in den letzten beiden Jahren“. Großmanns Männer konnten fast drei Monate lang Papierberge verbrennen und Akten schreddern, bis die Reißwölfe heißliefen. Trotz einiger Pannen gereiche "die Vernichtung der Akten allen Beteiligten zur Ehre", sagt  Großmann heute. Doch es geschah ein folgenschwerer Fehler.

              Unter dem Decknamen "Operation Rosewood" ("Rosenholz") gelangte die  CIA an die Daten zur Entschlüsselung der DDR-Spione. Wie und wann? Diese Fragen behandeln die Amerikaner wie ein Staatsgeheimnis. Einige vermuten, dass Großmann, das Material für mehrere Millionen Dollar an die CIA verkauft hat. Andere Experten trauen Großmann einen solchen Verrat nicht zu und vermuten, dass ungetreue Mitarbeiter der HVA die Dokumente entwendet und an die Amerikaner weitergegeben haben.


           Über ein Jahrzehnt hat Werner Großmann in der Öffentlichkeit geschwiegen, doch jetzt will der Mann mit den stechenden, stahlblauen Augen keine Ruhe mehr geben. Es drängt den
letzte Chef der DDR-Spionage-Abteilung ,Hauptverwaltung Aufklärung’ (HVA)  in die Öffentlichkeit. „Weil ich wahnsinnig verärgert bin“. Verärgert über Exmitareiter, die sich nach der Wende "freigekauft oder bereichert haben", indem sie ehemalige Agenten enttarnten: "Diese Verräter verurteilen wir. Und darauf reagiert der ehemalige, stellvertretende Minister für Staatssicherheit, Generaloberst Großmann, allergisch. Stakkatohaft beschwört er förmlich  "die Ehre des Offiziers" und die "Treue zum Eid". "Schließlich waren wir Offiziere, denen Verrat fremd sein musste. Nicht allein des Eides wegen, sondern auch, weil die Familien der Verratenen in die Tiefe gerissen wurden."

Ein verblendet, veredelnder Anspruch von Geheimdienstkollegialität durchzieht seine Reflexionen.
Mit Genossen, die sich dem selbsternannten Schweige-Kartell der Stasi-Veteranen entzogen haben, geht er hart ins Gericht: "Zum Lumpen wurde, der die Verantwortung anderen zuschob oder sich auf Kosten anderer zu seinem eigenen Vorteil seiner Verantwortung entzog."

An die Opfer der Stasi (mit der HVA im Ministerium für Staatssicherheit untergebracht) die gefoltert, psychisch unter Druck gesetzt oder sogar getötet wurden, denkt Großmann offenbar überhaupt nicht. „Was unsere meine Arbeit angeht, haben wir kein Unrechtsbewusstsein. Wir habe keinen Tropfen Blut an den  Fingern. Wir sind doch keine Schwerverbrecher und taten nichts, was der Bundesnachrichtendienst nicht auch heute noch tut“. Auffallend ist, dass er nie ausdrücklich von sich spricht. Denn wenn er "ich" meint, sagt er "wir“.     

         
Selbstgerecht reflektiert Großmann die Zeiten des Kalten Krieges. Spricht von dem, was der Osten gegen den Klassenfeind alles in Bewegung setzte. Erzählt von den Romeos in den Betten Bonner Sekretärinnen „bei denen sich nicht selten eine wahre Liebe entwickelt habe“. Also eine verlässliche, langfristige Zusammenarbeit - genau das, was die HVA wollte. Hunderte von Kundschaftern, wie die Agenten im Osten hießen, hatten die Bundesrepublik systematisch unterwandert.  Über die Mauer sagt er, „Dass die Gefahr des heißem Krieges doch dadurch erst beseitigt wurde“. 

Überhaupt scheint es Werner Großmann mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen:  „Die HVA ist an der  inneren Repression in der DDR nicht beteiligt gewesen“, sagt er selbstgerecht. An seinen Befehl,
DDR-IM auf dem Territorium der DDR mit in die Bearbeitung oppositioneller Kräfte und Gruppierungen einzubeziehen, will er sich nicht mehr erinnern.

       Großmann wirkt wie ein gedemütigter Mann auf Liebesentzug, wenn er sich derart inszeniert. Einem Vermächtnis gleich ruft er den Bonner Studenten zu: „Die DDR war ein Versuch das kapitalistische Ausbeutersystem zu überwinden. Das ist fehlgeschlagen. Aber die Zeit wird kommen, den die Gesellschaft, wie sie heute ist, kann nicht erstrebenswert sein“.

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